Die Abteilungsversammlung hat am 14. April 2010 einstimmig beschlossen:

 

Der sozialdemokratisch geführte Senat von Berlin wird aufgefordert, bis spätestens zum nächsten Landesparteitag eine Gesetzesnovelle ins Abgeordnetenhaus einzubringen, mit der § 63 der Landeshaushaltsordnung um folgenden Absatz ergänzt wird: “(6) Der Erlös aus der Veräußerung von Grundstücken und Beteiligungen wird dem Grundstock zugeführt.“

 

Begründung:

Die im Jahr 2004 unter Senator Dr. Thilo Sarrazin an die sog. Finanzinvestoren Cerberus und Whitehall Fonds für seinerzeit 405 Millionen Euro verkaufte, zuvor landeseigene, Wohnungsgesellschaft GSW soll an die Börse. Wenngleich der Wert inzwischen auf bis zu 900 Millionen Euro geschätzt wird, hat der Senat am 30. März 2010 seine erforderliche Zustimmung für einen Nachschlag von 30 Millionen Euro gegeben. Die Folgen für die Mieter sind bereits Gegenstand der politischen Debatte, die sich in anderen Anträgen detailliert bereits niederschlägt.

Auch die Debatte darüber, ob die 30 Millionen angemessen sind, wird geführt werden müssen. Noch nicht diskutiert wird über die Verwendung dieser Mehreinnahme. Dies muß aber auch und endlich verbunden mit grundsätzlichen Klärungen geschehen, wie nachhaltigerweise mit einmaligen Einnahmen aus dem Verkauf von Beteiligungen wie übrigens auch aus den vom Liegenschaftsfonds eifrig vertickten Grundstücke umzugehen ist. Das derzeit übliche schlichte Verbraten und Versaufen muß aufhören.

Zunächst gilt es sich an die bereits unter Finanzsenator Pieroth (CDU) begonnene und unter Finanzsenatorin Dr. Fugmann-Heesing (SPD) verstärkt fortgesetzte Privatisierung zu erinnern. Beispielsweise sei daran erinnert, daß im Nachtragshaushalt für das Nachwahljahr 1996, als die Ressortverantwortung von der CDU an uns weitergereicht worden war, in Kapitel 29 10 unter Titel 133 78 Veräußerung von Beteiligungen zu den bereits angesetzten 400 Millionen DM eine weitere volle Milliarde hinzutrat, machte in Euro umgerechnet 716 Millionen. Es trifft auch zu, daß der Titel im Folgejahr sogar mit 2,35 Milliarden DM, in heutiger Währung 1,2 Milliarden Euro, angesetzt worden war. Auch die Abschaffung des Grundstocks, dessen Plünderung zuvor nur umwegsweise begonnen worden war, fällt in diese Zeit, ebenso der Teilverkauf der Wasserbetriebe. Erinnert werden muß jedoch auch daran, daß das Land Berlin damals unmittelbar vor der Zahlungsunfähigkeit stand.

Das von der veröffentlichten Meinung seinerzeit natürlich nicht angemessen beachtete Änderungsgesetz zum Haushalt vom 25. November 1996 erhöhte vier Wochen vor Jahresende die Kreditermächtigungen knackig: Den Vorgriffskredit von zuvor 1,27 Milliarden DM auf 2,116 Milliarden DM und den Kassenkredit von zuvor 4,232 Milliarden auf dann 5,93 Milliarden DM. Man muß nicht wissen, was Vorgriffskredit oder Kassenkredit bedeutet, man braucht auch nicht den Rückgriffskredit zu erforschen. Man muß allerdings sich bewußt machen, daß beide auf die 6,1 Milliarden DM Deckungskredit für 1996 draufzuschlagen sind. Die Addition ergibt eine neue Verschuldung von 14,1 Milliarden DM allein für 1996.

Wenn demnach die einmaligen Einnahmen aus Schulden bis zum Anschlag genutzt sind, wenn die wiederkehrenden Einnahmen nicht schlagartig und auch nicht ansehbar explodieren, dann sind einmalige Einnahmen aus Verkäufen zwingend notwendig. Daß man keine guten Preise bekommt, wenn man verkaufen muß, wissen viele Bürger aus ihrem privaten Erfahrungsschatz. Es ist also müßig, hier individuelle Schuldzuweisungen vorzunehmen. Gleiches gilt beispielsweise auch für den Verkauf der GSW. Kritik am zweifellos bilanzverschönernden Effekt ist das eine, die Bankgesellschaftskrise historisch auszublenden deswegen aber noch längst nicht zulässig. Hier hat nicht der Neoliberalismus sich ausgetobt, hier ist finanzielle Notlage überbrückt worden. Privatisierung ist immer in der historischen Situation zu bewerten. Je mehr der Haushalt konsolidiert ist, um so weniger muß er mit einmaligen Einnahmen ausgeglichen werden.

Daß ein kameral weitgehend kenntnisfreies Bundesverfassungsgericht in seinem berlinfeindlichen Urteil gegen Sanierungs-Bundesergänzungsweisungen für Berlin sogar empfahl, die strukturelle Deckungslücke zwischen wiederkehrenden Ausgaben und wiederkehrenden Einnahmen auch mit einmaligen Verkaufserlösen zu decken, sollte barmherzigerweise mit dem Schleier des Vergessens bedeckt werden, solange zivilrechtlich das vom Land Berlin immer wieder verkaufbare Grundstück und die vom Land Berlin immer wieder verkaufbare Beteiligung noch nicht abgesichert ist.

Im Blick nach vorn ist festzuhalten, daß ein Landeshaushalt krank ist, in dem einmalige Einnahmen für wiederkehrende Ausgaben herhalten müssen. Insbesondere das Fressen der eigenen Substanz ist hier artwidrig. Nachhaltige Finanzpolitik braucht wieder einen Grundstock für Vermögen. Der Erhalt und Ausbau des öffentlichen Sektors insbesondere bei der Daseinsvorsorge erfordert ihn erst recht. Was aber ist ein Grundstock ?

Einfach gesagt: Das Land Berlin verkauft Grundstücke, die es irgendwo nicht mehr braucht, Dann legt es das Geld beiseite. Wenn es anderswo Grundstücke braucht, kauft es die mit diesem Geld. Deswegen hatte Berlin (West) jahrzehntelang für Grundstückserlöse den Grundstock.

So etwas kann zum Beispiel Sinn machen, wenn einerseits das zu Mauerzeiten errichtete Marzahn zunächst kinderreich ist und viele Schulen braucht, dann aber Jahrzehnte später nicht mehr und wenn andererseits nach Mauerfall und Regierungszuzug auf einmal Prenzlauer Berg kinderreich ist und zu wenig Schulen hat.

Zu Mauerzeiten hat der Senat zum Beispiel Bahnunternehmen gekauft – wirklich und das war sogar seine Idee. Welche ? Private kleine westberliner Industriebahnunternehmen. Warum ? Um so Stück für Stück ganz Berlin (West) ein einheitliches Industriebahnnetz zu schaffen. Anscheinend war der Markt damit überfordert. Zum Glück für die Wirtschaft gibt es aber den Staat. Als es fertig war, hat dieser es später wieder im Ganzen verkauft. Das Geld hat er verbraten.

Das Beispiel soll zeigen, daß Berlin in einer bestimmten historischen Situation auch bei Beteiligungen irgendwann an einer Beteiligung ein wichtiges Interesse haben kann und irgendwann danach nicht mehr. Zu diskutieren ist dann nicht der Verkauf, sondern ob der Erlös verbraten oder beiseite gelegt wird.

Ein Grundstock ist demnach nicht nur für Erlöse aus Grundstücksverkäufen sinnvoll, sondern auch für Erlöse beispielsweise aus dem Verkauf von Beteiligungen. Jedenfalls dann, wen man nicht aus ideologischen Gründen meint, daß der Staat in der Wirtschaft nicht zu suchen hat und alles Beteiligungsvermögen verscheuern und die Erlöse obendrein noch verbraten soll.

Eine Ergänzung der Verfassung von Berlin, mit welcher der weiteren Privatisierung von Landesvermögen nach Kräften ein Riegel vorgeschoben würde, wäre zu gegebener Zeit auch zu prüfen. Hierzu könnten wir den Artikel 81 der Bayrischen Verfassung abschreiben, der da lautet: „Das Grundstockvermögen des Staates darf in seinem Wertbestand nur auf Grund eines Gesetzes verringert werden. Der Erlöse aus der Veräußerung von Bestandteilen des Grundstockvermögens ist zu Neuerwerbungen für dieses Vermögen zu verwenden.“ Eine Ergänzung der Verfassung von Berlin beispielsweise als neuer Absatz 3 des Artikels 93 wäre naheligend. Die dafür erforderliche Zweidrittelmehrheit dürfte gegenwärtig nicht zu erlangen sein.

Mittel der Wahl ist hier und heute die mit einfacher Mehrheit zu beschließende Gesetzesnovelle der Landeshaushaltsordnung (LHO). Die Landeshaushaltsordnung sowie ihre – dann ebenfalls zeitnah anzupassenden – Ausführungsvorschriften (AV LHO) werden täglich beachtet und umgesetzt.

Mit der geforderten Novelle wird im übrigen der in Berlin (West) geltende Rechtszustand des Vermögensverwaltungsgesetzes vom 05. August 1952 wieder erreicht, in dem es aus den dargelegten guten Gründen hieß: „§ 3 … (2) Der Erlös aus der Veräußerung von Vermögensgegenständen ist dem Vermögen Berlins zur Erhaltung seines Wertes zuzuführen. Ausnahmen bedürfen der Zustimmung des Abgeordnetenhauses.“ Dies wurde erst ab der ersten Berliner Landeshaushaltsordnung 1966 sukzessive aufgeweicht bis hin zur Abschaffung des Berliner Grundstocks.

Während das Geld auf der hohen Kante liegt, kann es im übrigen angelegt Zinseinnahmen hecken oder als Kassenverstärkungsrücklage Zinskosten sparen helfen. Sozusagen noch ein Kollateralnutzen.

 

von der Abteilung Dahlem

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