Liebe Genossinnen und Genossen!
Hans-Willi Weinzen ist verstorben.
5.11.1953 Düsseldorf 28. Mai 2020 Berlin-Wannsee
Mit Hans Willi Weinzen hat uns ein unendlich kluger und vielseitiger, fleißiger Genosse verlassen. Wir werden ihn sehr vermissen.
Auf sich selber hat er nie viel Wert gelegt, eine Familie ist ihm nie vergönnt gewesen.
Aus einer kleinbürgerlich-proletarischen Familie stammend, katholisch als Messdiener sozialisiert kam er zum Politik-Studium nach Berlin ans Otto-Suhr Institut. 1972 trat er in die SPD ein. Er kam zu den Dahlemer Jungsozialisten und wurde neben der politischen Arbeit Aktivist beim JUSO-Sportverein Vorwärts Dahlem, seine Rolle war die eines verbissenen Verteidigers. Er engagierte sich in der JUSO-Hochschulgruppe und vertrat diese im JUSO-Landesvorstand. Ich erinnere mich an viele Sitzungen damals im RPJ. Waren spannende Zeiten in der Trennung der Berliner JUSO-Hochschulgruppen vom SHB, in der gewerkschaftlichen Orientierung, bei den Fußballreisen zu Grashoppers Reutlingen, in der JUSO-Ag.
Als Hans-Willi dann nach Kreuzberg zog und dort die Wohnung des ehemaligen JUSO-Landesvorsitzenden Wolfgang Biermann in der Oranienstraße übernahm, verringerte sich der Kontakt.
Hans Willi arbeitete und referierte (über Eckart Kämpfer) fürs Gesamtdeutsche Institut, fürs Paul-Löbe-Institut, für Arbeit und Leben. Und Hans-Willi schrieb Aufsätze und Bücher über Jugendweihe in Ost und West, über Wirtschaftsdemokratie, über Viktor Agartz (den DGB-Wirtschaftsexperten, der beinahe DGB-Vorsitzender geworden wäre und dann nicht mehr in die Rechtswende der SPD der 50er Jahre passte) über Fritz Naphtali, den Wirtschaftsstrategen des ADGBs und Erfinder der Theorie der Wirtschaftsdemokratie und des organisierten Kapitalismus, der nach 1949 als Gewerkschaftsbänker und Minister in Israel Wirtschaftsdemokratie zu entwickeln versuchte. Einige dieser Bücher durften wir im DVK-Verlag herausgeben.
Unbequem blieb Hans Willi immer. Sein hauptberufliches Engagement im Paul-Löbe-Institut verhindert Diepgens Senatskanzlei.
Nach der Wende ging Hans-Willi nach Brandenburg, hier arbeitete er in verschiedenen Stationen in der Staatskanzlei und war Personalrat. In dieser Zeit hatten wir relativ wenig Kontakt. Jetzt publizierte er über Finanzpolitik, Landeshaushalt. Als er diese Tätigkeit anschließend . in Berlin im Finanzsenat unter Fugmann-Heesing und zuletzt in der Senatskanzlei fortsetzte entstanden seine (man kann es so nennen) Standardwerke zu Finanzen und Haushaltspolitik.
Wenn wir uns auch nicht immer einig waren in der Einschätzung der Berliner Bankenkrise und der Notwendigkeiten von Folgewirkungen, seine Werke waren wesentliche Grundlagen. Sehr eng zusammengearbeitet haben wir , als Hans-Willi seit 2008 nach Dahlem kam. Er formulierte sehr kluge wirtschafts- und finanzpolitische Anträge, mit denen wir eine Linksorientierung der Berliner SPD vorantreiben konnten, mit denen wir Privatisierungen verhindern und Rekommunalisierungen einleiten konnten. So konnten wir gemeinsam das Verschenken der Berliner Immobilienholding BIH verhindern( mittlerweile ein Wert von 4 Milliarden Euro), Hans-Willi wurde Kreisdelegierter und war aktiv an der Umsetzung beteiligt. Hans-Willi verantwortete im Justizsenat Verbraucherpolitik, also forcierte er diese. Sein letztes Projekt vor der Rente sollte das Arbeitsfeld „100 Jahre Groß-Berlin“ für die Senatskanzlei werden. Hier stellte er wesentliche Weichen, aber die tückische Krankheit zwang ihn zur Frühverrentung. Seitdem kämpfte er gegen diese Krankheit mit allen Mitteln und Kräften. Diesen Kampf hat er verloren.
Hans-Willi und seine Ratschläge werden wir sehr vermissen, seine klugen Anträge und Aufsätze, Bücher, Ratschläge und Hinweise, seine Postkarten(!). Hans-Willi reiste viel und war kulturell sehr interessiert. Er schrieb: ihr müsst nach Lissabon – und wir fuhren als Abteilung in unserer Herbstreise. Er war begeisterter Operngänger und Kenner der meisten europäischen Museen.
Typisch für Hans-Willi ist, sein Erbe geht an Initiativen gegen Obdachlosigkeit.
Buze (so hieß ich für ihn)
Werke von Hans-Willi Weinzen
- Wirtschaftsdemokratie heute Konzept, Kritik, Konsequenzen, Berlin 1980
- Gewerkschaften und Sozialismus Frankfurt/Main 1982
- Viktor Agartz Partei,Gewerkschaften und Genossenschaften, Frankfurt 1985
- Viktor Agartz, Wirtschafts- und Steuerpolitik Expansive Lohnpolitik, Berlin 1986
- Berlin und seine Finanzen, Berlin 2000 ff
- Berlin und seine Schulden, 2003 ff
Kleine Beiträge in der Berliner Stimme: 2012
- Schlanker Staat oder öffentliche Daseinsvorsorge
- Tafelsilber oder Kochgeschirr ?
- Für eine bessere Daseinsvorsorge
- Der Rückkauf ist Machbar (Wasserbetriebe)
- Mehr Einnahmen sind machbar
- Weniger Gold aus Wasser
- Landesevermögen nachhaltig sichern
- Besser verzinst als verkauft
- Die S-Bahn übernehmen
- Mehr Rechte fürs Abgeordnetenhaus
- Wer kauft die Daseinsvorsorge
- Die Trüffeln sind zu billig
- Vermögen endlich wieder besteuern
Alles kurze präzise Beiträge (wen es interessiert, wir haben es zusammengestellt)
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